top of page
schriftzug.png

LESEZEIT: 08-10 min

gerda

Ich erinnere mich an einen Begleittermin bei der Pensionsversicherungsanstalt. Das war in der Corona-Zeit und es gab strenge Einschränkungen. Also durfte die Mutter meiner Klientin, die sie sonst immer begleitet hat, nicht mitgehen. Und das war dann auch für mich das Schwierige, da überhaupt hineinzukommen. Die Dame bei der Anmeldung wollte mich zuerst nicht hineinlassen, aber ich hab darauf bestanden und ihr meinen Mitgeh-Ausweis gezeigt.

Wir haben so einen Ausweis, wo auch der rechtliche Aspekt draufsteht, also dass Menschen das Recht auf eine Begleitung haben.

Wir haben so einen Ausweis, wo auch der rechtliche Aspekt draufsteht, also dass Menschen das Recht auf eine Begleitung haben. Da steht: "Die Begleitung erfolgt auf Basis des Rechtsbeistands AVG § 10 Absatz 5: Als Rechtsbeistand kann man die Person, die begleitet wird, beraten, aber nicht für sie sprechen." Das gilt für sämtliche Ämter, nicht nur fürs Gericht.

Auf Ämtern ist es ja auch oft so, dass die zu zweit dort sitzen, dass die quasi eine Begleitung haben. Das war jetzt natürlich ironisch gemeint, weil da geht es nicht um Begleitung, sondern darum, dass Leute auf Ämtern bei heikleren Geschichten eine Zeugin oder einen Zeugen dabei haben wollen. So eine Situation hat es zum Beispiel einmal bei einer Begleitung zum Jugendamt gegeben. Und das war auch verständlich, denn die Familie hatte bereits mit dem Jugendamt in ihrem Heimatort Schwierigkeiten gehabt und hat extra deswegen ihren Wohnsitz verlegt.

Es ist um die Tochter der Familie gegangen und ich hab da die Mutter hinbegleitet. Sie hat eine große Angst gehabt vor diesem Termin. Angst, dass sie die Stimme verliert. Angst, dass sie sich heftig aufregt. Von dem her ist das Gespräch dann recht gut verlaufen. Nur dass die Sozialarbeiterinnen die gesetzliche Verpflichtung haben, die Tochter einmal persönlich zu sehen, wollte diese Familie nach wie vor nicht akzeptieren. Der Vater wollte dann, dass ich eine Zeugenaussage mache, dass die Sozialarbeiterinnen übergriffig gewesen wären, doch weder war das der Fall, noch sind wir Begleiterinnen dafür da.

Der Vater wollte dann, dass ich eine Zeugenaussage mache, dass die Sozialarbeiterinnen übergriffig gewesen wären, doch weder war das der Fall, noch sind wir Begleiterinnen dafür da.​

Wie ich im Newsletter vom ULF, das ist das Unabhängige Landesfreiwilligenzentrum, wie ich da vom "mitgehn"-Projekt gelesen habe, habe ich sofort gedacht, dass ist etwas für mich. Weil ich da auf private Erfahrungen zurückgreifen kann, und auf berufliche.

Beruflich: Ich hab Psychologie studiert und dann hauptsächlich bei "pro mente" gearbeitet, in verschiedenen Bereichen, zum Beispiel im Arbeitstrainingszentrum. Da haben wir Teilnehmende begleitet, wenn sie das gebraucht haben, zu Bewerbungen oder anderen Terminen. Das war irgendwie das Selbstverständlichste. Und zu einem späteren Zeitpunkt, da hab ich in einer psychosozialen Beratungsstelle gearbeitet, und dort hat man auch Menschen begleiten können wie es noch nicht so viele Sparmaßnahmen gegeben hat.

Meine eigenen Erfahrungen liegen schon lange zurück und ich hab sie bei einer eher seltsamen Geschichte gemacht. Das war 1986. Ich bin zu einem Billigfrisör nach Freilassing gefahren, um ganz günstig eine Dauerwelle machen zu lassen, aber danach sind mir die Haare abgebrochen. Ich hab dann bei der Arbeiterkammer angerufen, beim Innungsmeister, und dort hab ich erfahren, dass ich nicht die einzige bin, die das bei diesem Frisör erlebt hat. Mein Zweitfach neben der Psychologie war damals Publizistik, und da hab ich sofort gedacht, darüber muss ich schreiben und andere informieren. Ich hab also einen Leserbrief geschrieben, der wurde in einer Tageszeitung veröffentlicht und eine Gratis-Wochenzeitung hat dann einen Artikel über die Geschichte gemacht, und dann hat der Friseur mich geklagt, wegen Kreditschädigung. Das, was mich dabei am meisten irritiert hat: Er hat behauptet, ich sei gar nicht dort gewesen.

Die Verhandlungen haben sich dann über zwei Jahre dahingezogen, bis ich freigesprochen worden bin. Zum Glück hab ich einen Rechtsanwalt von der Arbeiterkammer gekriegt. Im Grunde ist es nur darum gegangen, ob ich überhaupt dort war. Ich hab keine Rechnung gehabt, er hat ja auch keine Rechnungen ausgestellt. Er wollte einerseits Geld, und dann, dass ich in allen Medien widerrufe, also sage, dass das nicht stimmt. Das hat mich total getroffen: Dass ich die Wahrheit sage und dann öffentlich sagen soll, das stimmt nicht.

Das hat mich total getroffen: Dass ich die Wahrheit sage und dann öffentlich sagen soll, das stimmt nicht.

Jedenfalls hab ich mir damals zu jeder Verhandlung mindestens eine Freundin mitgenommen, weil das für mich eine irre Belastung war. Die ist zwar nur im Saal gesessen, aber das hat gereicht. Von damals weiß ich also aus eigener Erfahrung, wie hilfreich eine Begleitperson sein kann.

Ich bin in der katholischen Jungschar sozialisiert worden. Mich für andere Menschen einzusetzen, ist für mich das Selbstverständlichste der Welt. Wobei ich nebenberuflich auch im Outplacement gearbeitet habe, wo man hochqualifizierten Leuten, Mangerinnen, Direktoren und so, hilft, einen neuen guten Job zu finden. Ein Privat-AMS für die Elite. Das war jetzt nicht so unter sozialem Engagement zu verbuchen.

Ein Privat-AMS für die Elite. Das war jetzt nicht so unter sozialem Engagement zu verbuchen.

Ich habe immer gern Kriseneinsätze gemacht, Menschen in psychischen Ausnahmesituationen geholfen. Dort war mein Herz. Wenn ich jemand anderen helfen kann, gibt mir das auch Kraft, ein gutes Gefühl. Es ist fürs Herz, wie man so sagt.

Während meiner Berufstätigkeit hätte ich für die Freiwilligen-Arbeit zu wenig Energie übrig gehabt. Aber ich hab schon lange gewusst: In der Pension mach ich das.

teile die geschichte
  • Instagram - Schwarzer Kreis
  • Facebook - Schwarzer Kreis
  • Twitter - Schwarzer Kreis
bottom of page