linda
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Schon mein Sohn ist zu früh geboren, aber nur sechs Wochen zu früh. Den Supergau hat dann meine Tochter geliefert. Zudem war ich von Anfang an alleinerziehend. Mit dem Vater der Kinder hatte ich eine anstrengende On-Off-Beziehung, die war in der Schwangerschaft mit der Tochter endgültig aus. Es war also eine denkbar schwierige Ausgangslage.
Begonnen hat es damit, dass ich vorzeitig Wehen bekommen habe, in der 21. Woche. Ich war im AKH auf der Station für Hochrisikoschwangerschaften und die Wehen sind gekommen, wieder gegangen, wieder gekommen.
Es war ein Hin und ein Her. Und dann kam meine Tochter wirklich extrem früh, in der 25. Schwangershaftswoche.
Es war ein Hin und ein Her. Und dann kam meine Tochter wirklich extrem früh, in der 25. Schwangershaftswoche. Sie hatte nur 520 Gramm und man hat mir gesagt: Sie müssen sich von ihr verabschieden.
Sie hat alles ausgefasst, was man als Frühchen ausfassen kann. Ständig ist ein neues Problem aufgetaucht. Drei Mal war sie dabei wirklich in Lebensgefahr. Ich hab mit dem Handy unterm Kopfpolster geschlafen, ich war in ständiger Alarmbereitschaft.
Ich hatte eine sehr gute Psychologin auf der Station, die hat mich voll unterstützt. So hab ich mich Schritt für Schritt durch diese Situation gekämpft. Ich hab mir gesagt: Meine Tochter kämpft im Krankenhaus ums Überleben, und ich kämpfe draußen mit den Bären, die da so kommen. Wie durch ein Wunder haben wir das beide gut geschafft.
Ich glaube, meine Tochter wäre nicht am Leben, wenn neben der Intersivmedizin nicht auch so intensiv für sie gebetet worden wäre.
Ich glaube, meine Tochter wäre nicht am Leben, wenn neben der Intersivmedizin nicht auch so intensiv für sie gebetet worden wäre. Ich bin seit 27 Jahren Buddhistin und meine Gemeinde hat mich in dieser Zeit enorm unterstützt. Da sind für mich Dinge passiert, die kann man nicht erklären, die sind überirdisch. Aber ich habe auch immer viel irdische Hilfe von meinen Eltern und Freundinnen erhalten, ohne die wäre es nicht gegangen.
Meine Tochter war ein halbes Jahr auf der neoantologischen Intensivstation. Dann wurde sie als gesund entlassen, aber mit der Einschränkung: Wir wissen nicht, was da noch kommt. Dann war das Leben mit den Kindern einfach anstrengend. Mein Sohn war gesund, ein normales Kind, aber meine Tochter war halt krank ohne Ende. Wenn sie in der Früh gehustet hat, hab ich dann schon gewusst: Dieser Husten ist noch im Rahmen, wir gehen zum Kinderarzt, oder dieser Husten ist gefährlich, ab ins Krankenhaus.
Wir waren Stammgäste in der Kinderambulanz. Wir waren von Montag bis Freitag in irgendwelchen Therapien.
Wir waren Stammgäste in der Kinderambulanz. Wir waren von Montag bis Freitag in irgendwelchen Therapien. Ich hab mich bemüht, dass trotzdem lustig und schön zu gestalten. Wir haben alle Spielplätze rund um die Krankenhäuser gekannt.
Ich war also die Krankenschwester meiner Tochter, für eine andere Arbeit war da kaum noch Platz.
Ich war also die Krankenschwester meiner Tochter, für eine andere Arbeit war da kaum noch Platz. Ich hatte vor meinen Kindern gut bezahlte Jobs im Highend-Assistenzbereich. Ich war nach der Geburt meiner Kinder lange freigestellt, aber meine Stelle war natürlich schon weitergegeben. Ich hab dann eine Ausbildung zur Lebens- und Sozialberaterin gemacht, in Etappen, über einige Jahre, auch mit Hilfe einer AMS-Stiftung. Manche Module hab ich besuchen dürfen, weil ich im Gegenzug dort kurz gearbeitet hab.
Ich war weiterhin arbeitslos und hab geringfügig dazuverdient, mit Meinungsumfragen, aber auch schon als Lebens- und Sozialberaterin mit dem Schwerpunkt Begleitung bei Schwangerschaften. Damit wollte ich mich kurz vor Corona selbstständig machen, hab aber doch noch gezögert. Zum Glück, muss ich heute sagen, weil sonst wär ich aus allem herausgefallen, und hätte nicht gewusst, wie wir während der Pandemie überleben sollen.
Es war so schon schwer genug. Das Dazuverdienen fiel weg. Oder das Mithelfen im Sozialmarkt für ein paar Lebensmittel, das ging plötzlich nicht mehr.
Es war so schon schwer genug. Das Dazuverdienen fiel weg. Oder das Mithelfen im Sozialmarkt für ein paar Lebensmittel, das ging plötzlich nicht mehr. Und meine Tochter hat für das Homeschooling von einem Tag auf den anderen einen Laptop gebraucht. Ich hab da zum Glück über die Armutskonferenz Kontakt zum ORF bekommen, die haben mich über unsere schwierige Situation interviewt, und wir haben von einem Zuseher einen Laptop geschenkt bekommen.
Ich hab nach Corona bei einer Hotline für Leute mit chronischen Erkrankungen gearbeitet, ich hab das sehr gerne gemacht, aber dann hat es Probleme mit meinem Computer gegeben, meine Arbeitsaufzeichnungen wurden nicht mehr gespeichert, und ich wurde gekündigt. Es hat nach Mobbing ausgesehen. Vielleicht war ihnen nicht recht, dass ich den Leuten wirklich weiterhelfen wollte.
Mich selbstständig zu machen, schaff ich im Moment nicht. Meine Kinder wohnen noch bei mir, mein Sohn studiert, meine Tochter hat sich aufgrund ihrer Geschichte beim Lernen nicht so leicht getan und geht noch in die Schule.
Die Leute haben kein Geld mehr. Sie schreiben mir: Du hast ein so tolles Angebot, aber ich kann es mir nicht leisten. Und das wird mit den Einsparungen, die jetzt drohen, nicht besser werden.
Die Leute haben kein Geld mehr. Sie schreiben mir: Du hast ein so tolles Angebot, aber ich kann es mir nicht leisten. Und das wird mit den Einsparungen, die jetzt drohen, nicht besser werden.
Beim AMS ärgert mich, dass du als Arbeitlose überhaupt kein Mitspracherecht hast. Du bist eine Verwaltungsnummer. Sie wollen dich so schnell wie möglich in Arbeit bringen, egal, ob du dafür die Richtige bist oder nicht. Und dann passiert sowas wie mir unlängst:
Sie haben mir einen Job als Nachtschaffnerin vermittelt, nein, als Zugchefin, so heißt das. Das klingt natürlich super, aber die Realität hätte so ausgesehen: Ich als Frau allein in der Nacht, europaweit unterwegs, alleinverantwortlich, zuständig bei Schwarzfahrern, bei Schlägereien oder was sonst so passiert.
Ich bin dem ganz und gar nicht gewachsen,
und ich kann meine Kinder nicht tagelang allein lassen - interessiert alles niemanden.
Ich bin dem ganz und gar nicht gewachsen, und ich kann meine Kinder nicht tagelang allein lassen - interessiert alles niemanden. Ich hab diesen Job nicht machen können und mein Arbeitslosengeld-Bezug wurde gesperrt.
Ich hab zum Glück über die Armutskonferenz einen Kontakt zum AMS bekommen. Da gab es ein Dialogforum von Armutsbetroffenen mit Vertreterinnen von Ämtern und Behörden, und ich war am AMS-Tisch, hab dort mitdiskutiert, da hab ich eine Dame kennengelernt, die mir weiterhelfen konnte, und ich wurde entsperrt. Aber das war Glück. Andere können sich da überhaupt nicht wehren.
Aber das war Glück. Andere können sich da überhaupt nicht wehren.
Ich arbeite gerne, ich bin gut ausgebildet, und ich bewerbe mich jede Menge. Aber ich bin 53 Jahre alt. Für mich ist das kein Problem, für die Arbeitgeber anscheinend schon. Die kapieren nicht, dass man in dem Alter noch alles machen kann. Und das noch lange. Ich muss ja bis 65 arbeiten.
Ich halte mich für einen glücklichen Menschen. Ich geh einen Schritt nach dem anderen und versuche aus allem das Beste zu machen, auch aus den Krisen. Über die Jahre hab ich gelernt, dass mich nichts so schnell umwirft. Und ich hab gelernt, mir eine Insel zu schaffen, auf der es mir und meinen Kindern gut geht.
Und dann gibt es die Welt da draußen, dort herrscht die Katastrophe. Mir wird schlecht, wenn ich mir anschaue, was da jetzt alles auf uns zukommt. Ich schau keine Massenmedien mehr. ORF schon lang nicht mehr. Außer Liebesfilme hin und wieder.