margot
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Es gibt viele Ämter und öffentliche Institutionen, in denen man freundlich und wertschätzend behandelt wird. Und dann gibt es eben die Ausnahmen. Und die finde ich besonders ärgerlich, weil dann Menschen in der Wüste stehen gelassen und um ihre Rechte gebracht werden.
Ich bin selbstständig und betreibe eine Agentur für Kongresse und Tagungen, und da organisiere ich zum Beispiel ein Mal im Jahr das Peter Drucker Forum, das ist eine internationale Managementkonferenz. Zu dieser Veranstaltung werden die Gewinner eines Aufsatzwettbewerbs nach Österreich eingeladen, das sind Studierende oder junge Unternehmerinnen aus allen Ecken der Welt, aus Indien, aus Ghana, aus Kolumbien, aus Pakistan, Nigeria, Phillipinen. Damit diese jungen Leute einreisen dürfen, ist eine sogenannte elektronische Verpflichtungserklärung notwendig. Diese beantragt man in einer Abteilung beim Polizeikommissariat. Es wird bestätigt, dass es für diese Personen in der Zeit ihres Aufenthalts gesorgt ist. Mit dieser Erklärung können dann die Wettbewerbsgewinner um ein Visum in ihrem Land ansuchen.
Es ist ein bürokratischer Hürdenlauf, mit Verordnungen, bei denen sich die Katze mitunter in den eigenen Schwanz beißt.
Es ist ein bürokratischer Hürdenlauf, mit Verordnungen, bei denen sich die Katze mitunter in den eigenen Schwanz beißt.
Und bei dem Polizeikommisariat, das für meinen Kunden zuständig ist, arbeiten zwei Frauen, die Präpotenz und Unfreundlichkeit an den Tag legen. Es ist einfach ein Machtspiel. Vielleicht sind Struktur und Leitung dieses Amts daran Schuld, weil wie sagt man: Der Fisch fängt beim Kopf zu stinken an.
Wenn ich selbst dort bin, kann ich mich wehren und durchsetzen, auch wenn ich mich über diese unfreundliche Art der Beamtinnen mehr als ärgere. Ein Mal musste meine Assistentin den Termin allein übernehmen, sie ist Russin, sie spricht sehr gut Deutsch, aber man merkt natürlich am Akzent, dass sie keine österreichische Staatsbürgerin ist. Und prompt wurde sie schikaniert, wurde geduzt, obwohl sie eine erwachsene Frau ist, musste auch ihre eigene Aufenthaltsgenehmigung vorweisen, obwohl sie ja schon einige Male dort war, und so weiter.
Viele Nicht-Österreicherinnen kommen auf dieses Amt, die Verwandte oder Freunde einladen, und der deutschen Sprache nicht so mächtig sind, und die vom ganzen Prozedere wenig Ahnung haben. Die sind dann diversen Machtspielen und Schikanen hilflos ausgeliefert.
Viele Nicht-Österreicherinnen kommen auf dieses Amt, die Verwandte oder Freunde einladen, und der deutschen Sprache nicht so mächtig sind, und die vom ganzen Prozedere wenig Ahnung haben. Die sind dann diversen Machtspielen und Schikanen hilflos ausgeliefert. Wenn da jetzt eine Begleitperson vom "mitgehn"-Projekt dabei ist, wirkt das auf mehreren Ebenen: Es stärkt die Person, sich für ihre Rechte einzusetzen, es bringt die Beamtinnen hoffentlich dazu, sich eher korrekt zu verhalten, und bei unkorrektem Verhalten gibt es eine Zeugin.
Ich komm aus einer extrem leistungsorientierten Familie, schon eine herzliche Familie, aber direktes soziales Engagement habe ich als Kind und Jugendliche nicht kennengelernt, doch wurden Spendenprojekte von meiner Familie immer großzügig unterstützt.
Für mich war es aber immer schon wichtig, für andere da zu sein, sie zu unterstützen, wenn es ihnen nicht gut geht, und gegen Ungerechtigkeiten zu kämpfen. Es ist meine Grundüberzeugung, dass jede Kleinigkeit, die man Gutes tut, hilfreich ist. Und dass viele positive Kleinigkeiten die gesamte Welt besser, lebenswerter und liebenswerter machen.
Ich arbeite viel, phasenweise sehr viel, bin nicht verheiratet und hab keine Kinder. Ich kann es mir somit leisten und auch einteilen, mich ehrenamtlich zu engagieren. Wie 2015 viele Geflüchtete aus Syrien kamen, war es mir wichtig, nicht nur zu spenden, sondern auch direkt etwas zu tun. Und so betreute ich damals auch eine syrische Frau mit ihrer Familie, rund eineinhalb Jahre lang. Die syrische Frau sprach ganz schlecht Deutsch, wir konnten uns dennoch unterhalten und hatten Spaß miteinander. Ich hab die ganze Familie kennen gelernt, sie waren bei mir zum Essen eingeladen, ich war bei ihnen daheim.
Und ich hatte die einmalige Chance, bei der Verlobungsfeier der Tochter dabei zu sein, ein ungemein beeindruckendes Erlebnis. Das Fest fand in einem großen Saal statt. Nur Frauen waren eingeladen, rund 80, fast alles Syrerinnen, alle durchgestylt, und die zu Verlobende in wunderschönen Kleidern mit perfektem Make-Up und einer wunderbaren Frisur.
Bei dieser Zeremonie wurde die junge Frau von ihrem Bruder dem Verlobten übergeben, er und der Verlobte waren die einzigen Männer, die bei dieser Feier dabei sein durften. Und dann wurde getanzt, so richtig freudvoll und ausgelassen.
Alles Frauen, die geflüchtet waren, aber an diesem Tag waren der Krieg und die Trauer vergessen, es ging darum, dieser jungen Frau ein großes Fest zu bereiten. Das habe ich unglaublich schön gefunden.
Alles Frauen, die geflüchtet waren, aber an diesem Tag waren der Krieg und die Trauer vergessen, es ging darum, dieser jungen Frau ein großes Fest zu bereiten. Das habe ich unglaublich schön gefunden.
Da ich ein eigenes Unternehmen leite, kann ich keine regelmäßige ehrenamtliche Aufgabe übernehmen, wie zum Beispiel drei Mal die Woche Deutschnachhilfe zu geben. Darum ist das "mitgehn"- Projekt ideal für mich. Es handelt sich um einzelne Einsätze, wie Begleitung bei einem Behördenweg, zum Arbeitsamt, oder zur Hochschülerschaft. Ich bekomme eine SMS mit der Anfrage, ob ich für einen bestimmten Termin Zeit habe. Wenn ja, folgen die genauen Details. Wenn nein, übernimmt eine Kollegin den Einsatz.
Es geht beim "mitgehn" darum, jemanden zu begleiten, dabei zu sein, aber im Hintergrund zu bleiben. Was bei der jeweiligen Stelle geschieht, bleibt in der Eigenverantwortung der begleiteten Frau. Wenn es darum geht, den Weg hin zu finden, oder bei einer sprachlichen Unsicherheit zu helfen, oder ein Missverständnis zu klären, dafür bin ich schon da, aber beim Thema an sich mische ich mich nicht ein, außer es wäre erforderlich. Und nach dem Termin verabschiede ich mich von der Klientin. Es gibt keinen weiteren Kontakt. Das war für mich etwas ungewohnt, weil ich dazu neige die Frau auch noch bei anderen Belangen zu unterstützen. Aber diese klare Vereinbarung macht Sinn.
Bei der syrischen Familie war das ein anderes Anliegen. Es ging darum, eine Art Freundschaft aufzubauen, ihnen das Leben in Österreich nahe zu bringen. Wobei so eine Beziehung nach beiden Seiten ein Kennenlernen und Lernen bedeutet.
Die Tochter der Familie hat sehr schnell Deutsch gelernt und Pharmazie weiterstudiert. Ihre Mutter hat sich mit dem Deutschlernen schwer getan und ich muss sagen, ich hab da auch meine Meinung etwas revidiert:
Früher war ich ünerzeugt, dass Geflüchtete sofort die deutsche Sprache lernen müssen, wenn sie hier leben. Beim Zusammensein mit der Syrerin habe ich gelernt, dass es nicht allen möglich ist, Deutsch wirklich zu lernen. Da ist zum einen das Alter, mit 55 tut man sich natürlich schwerer. Aber eine weitere Komponente darf nicht vernachlässigt werden:
Wenn man die eigene Heimat aufgeben muss, dann gibt es möglicherweise ein inneres Widerstreben, auch die sprachliche Heimat zu verlassen, das Arabische.
Wenn man die eigene Heimat aufgeben muss, dann gibt es möglicherweise ein inneres Widerstreben, auch die sprachliche Heimat zu verlassen, das Arabische.
Es ist hilfreich, hier einmal die Perspektive zu wechseln, und sich zu überlegen, wie das für einen selbst wäre, wenn man jetzt nicht nur in einem anderen Land leben, sondern zum Beispiel auch Arabisch lernen müsste.