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mariam

LESEZEIT: 08-10 min

Ich will unbedingt, dass meine Töchter auch nach Österreich kommen können. Dass sie nicht wie in einem Gefängnis leben müssen. Ich habe in diesem einen Jahr, in dem ich hier bin, viel versucht, um eine Möglichkeit zu finden. Ich war auf so vielen Stellen, in so vielen Büros, um zu fragen, ob man sie einladen kann. Ob es einen Weg gibt. Welchen Antrag man stellen kann. Aber niemand hat mir helfen können bis jetzt.

Ich komme aus Afghanistan, aus einem Dorf, aber gelebt habe ich nur in Kabul. Ich hab die Schule nicht abgeschlossen, weil damals, als ich jung war, hat es auch die politische Situation unter den Taliban nicht erlaubt, dass Mädchen die Schule bis zur Matura machen und abschließen. Und meine Eltern haben gesagt, es ist besser, wenn ich heirate. Also habe ich geheiratet. Wenn ich die Schule hätte fertigmachen können, hätte ich gern studiert. Ich wäre gern Ärztin geworden.

Mit den NATO-Gruppen hatte sich einiges geändert im Land, aber für mich war das zu spät. Die Frauen hatten auf einmal viele Rechte, aber ich wurde in dieser Zeit Mama, ich habe drei Kinder bekommen und konnte daneben nicht die Schule fertigmachen und studieren. Auch, weil mein Mann die meiste Zeit nicht in Afghanistan war. Er hat in Moskau gearbeitet und ich wohnte bei den Schwiegereltern. Und die Schwiegereltern haben es nicht erlaubt, dass ich als junge Frau mit Kindern noch anfange zu studieren. Umso wichtiger war mir, dass meine Kinder eine gute Zukunft haben. Dass sie die Schulen fertig machen und studieren.

Umso wichtiger war mir, dass meine Kinder eine gute Zukunft haben. Dass sie die Schulen fertig machen und studieren.

Nach ein paar Jahren in Moskau ist mein Mann nach Österreich gekommen. Er hat hier um Asyl angesucht und nach zehn Jahren hat er den Status eines Subsidiär Schutzberechtigten bekommen. Also hat er vor einem Jahr mich und unseren jüngsten Sohn im Zuge der Familienzusammenführung nach Wien holen können.

Ich habe drei Söhne und drei Töchter. Die anderen zwei Söhne sind in den Iran geflohen und von dort weiter nach Moskau. Eine Tochter ist verheiratet und lebt in den USA. Aber die zwei Töchter, die in Afghanistan geblieben sind, befinden sich jetzt in einer sehr schwierigen Situation. Die eine war Lehrerin, die andere hat noch studiert. Vor der Rückkehr der Taliban.

In Afghanistan war es immer schwierig für Frauen. Sie würden viel schaffen, aber manchmal der Vater erlaubt es nicht, manchmal ein Bruder erlaubt es nicht, manchmal ein Bekannter. Es haben sich zwar die Gesetze geändert in den 20 Jahren unter den NATO-Truppen, aber die Männer haben das weniger. Wenn ein Mann Nein gesagt hat, hast du auch in dieser Zeit wenig Chance gehabt. Und jetzt wieder unter den Taliban gibt es gar keine Chance mehr.

Da meine Töchter alleine leben, also ohne Mann, erlauben die Taliban ihnen nicht, nach draußen zu gehen. Nicht einmal zum Einkaufen dürfen sie.​

Da meine Töchter alleine leben, also ohne Mann, erlauben die Taliban ihnen nicht, nach draußen zu gehen. Nicht einmal zum Einkaufen dürfen sie. Die Schule ist zu, sowieso, die andere darf nicht auf die Universität, alles ist zu. Um weiterzuleben, müssen sie etwas einkaufen, aber die Taliban sagen trotzdem: Wenn es keine Männer gibt, die sie beschützen, dürfen sie nicht von der Wohnung raus. Zum Glück helfen die Nachbarn den beiden, kochen für sie, bringen ihnen Sachen nach Hause.

Ich habe einen Termin bei der Österreichischen Hochschüler*innenschaft gehabt, und da hat mich eine Dame vom "mitgehn"-Projekt begleitet bei diesen Terminen. Sie war sehr nett und sehr freundlich, aber wegen der Sprache konnte ich nicht so viel mit ihr reden.

 

Ich versuche, dass meine Töchter ein Studentinnen-Visum bekommen, aber die Hürden sind sehr hoch: Man muss Deutsch auf der Niveaustufe A2 können, muss 1.060.- Euro pro Monat zur Verfügung haben, die dürfen nicht ausgeborgt sein, man braucht eine Unterkunft, und so weiter. Es ist sehr schwierig. Aber ich habe auf der ÖH noch einen Termin und ich werde schauen, dass mich wieder jemand begleitet.

Kabul ist auch eine große Stadt, eine Stadt mit über vier Millionen Einwohnern, so ganz anders ist es dort nicht wie in Wien. Eine neue Sache hier sind für mich die U-Bahnen und Straßenbahnen, in Kabul gibt es nur elektrische Busse.

Ich versuche derzeit, Deutsch zu lernen. Sechs Monate habe ich schon den Deutschkurs besucht, die Alphabetisierung. Diese Phase habe ich fertig gemacht. Vielleicht bekomme ich jetzt einen A1-Kurs. Ich mache auf jeden Fall weiter. Schon als Kind wollte ich studieren und mich weiterbilden. Damals hab ich es nicht abschließen dürfen, aber jetzt beim Deutschkurs, ich komme immer pünktlich, ich passe gut auf, ich mache das Handy immer zu, ich will unbedingt etwas lernen. Leider habe ich diese anderen Probleme, die mich so belasten, dass es mit dem Lernen nicht immer einfach ist, weil ich in Gedanken bei meinen Töchtern bin.

Damals hab ich es nicht abschließen dürfen, aber jetzt beim Deutschkurs, ich komme immer pünktlich, ich passe gut auf, ich mache das Handy immer zu, ich will unbedingt etwas lernen. Leider habe ich diese anderen Probleme, die mich so belasten, dass es mit dem Lernen nicht immer einfach ist, weil ich in Gedanken bei meinen Töchtern bin.

Es gibt hier viele Sachen, wo ich sagen kann, dass ich sie liebe. Es ist vor allem die Menschlichkeit, die Gerechtigkeit, warum ich Österreich und Wien liebe. Weil ich hier ohne Angst leben kann. Ich brauche keine Angst haben, dass jemand daherkommt und mich schlägt. Oder dass etwas Schlimmes passiert, wenn ich auf die Straße gehe. Ich kann ohne Stress draußen herumgehen, oder zu meinen Terminen gehen. Ich bin zufrieden mit allem hier.

Ich könnte ohne Stress schlafen gehen, aber ich habe natürlich große Angst um meine Kinder. Ich will, dass auch meine Kinder ein friedliches Leben haben. Und deswegen kann ich auch hier nicht ruhig schlafen.

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