noomi
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Ich kann mich an den Tag noch ganz genau erinnern. Mein älterer Bruder ist vom Kindergarten nach Hause gekommen und gleich ins Badezimmer gerannt. Er hat geweint. Und er hat angefangen, sich mit dem Waschlappen abzuschrubben. Meine Mutter ist zu ihm gegangen und hat gefragt, was los ist. Und er hat gesagt, er will diese Haut nicht mehr haben. Und dass er sich abschrubbt, weil er weiß sein will.
Er war ganz aufgelöst. Schließlich hat er erzählt, dass die Kinder im Kindergarten ihn die ganze Zeit abschlecken und sagen, er schmeckt nach Schokolade, und ihn einfach nicht mehr in Ruhe lassen. Das war für mich der Tag, wo ich gemerkt habe, dass wir irgendwie anders sind. Ich schau ja auch so aus wie mein Bruder. Was ist mit meiner Haut? Muss ich die auch irgendwie abschrubben?
Zum Glück haben uns die Eltern mit diesen Fragen nicht allein gelassen. Nach diesem Vorfall hat es mit ihnen sehr regelmäßig Gespräche darüber gegeben, dass es Rassismus gibt und wie wir damit umgehen sollen. Dass Schwarz zu sein nicht heißt, dass wir irgendwie schlechter sind, dass es eben Unterschiede gibt zwischen Menschen, die einfach so sind. Und dass Kinder, die blöde Sachen zu uns sagen, es vielleicht gar nicht so meinen, sondern das vielleicht von ihren Eltern so mitbekommen.
Vor allem meine Mutter hat uns immer wieder darin bestärkt, uns das nicht gefallen zu lassen, wenn uns wer beschimpft oder sonstwie blöd behandelt. Ich habe also früh gelernt, Rassismus zu benennen, mich zu wehren, und mich zu engagieren.
Vor allem meine Mutter hat uns immer wieder darin bestärkt, uns das nicht gefallen zu lassen, wenn uns wer beschimpft oder sonstwie blöd behandelt. Ich habe also früh gelernt, Rassismus zu benennen, mich zu wehren, und mich zu engagieren.
Und heute tue ich das mit anderen Aktivistinnen beim Volksbegehren Black Voices, wo wir die Entwicklung und Umsetzung eines nationalen Aktionsplans gegen Rassismus fordern.
Mit dem Volksbegehren weisen wir vor allem auf den strukturellen Rassismus hin, der nicht so leicht zu erkennen ist wie der Alltagsrassismus. Oder sagen wir, er ist vor allem für Nicht-Betroffene nicht so leicht zu erkennen. Sie bekommen ihn meistens gar nicht mit. Zum Beispiel bei der Jobsuche oder bei der Wohnungssuche. Einschränkungen in diesen Bereichen haben aber für die Betroffenen enorme Folgen.
Oder ein banales Beispiel: Du gehst mit einem Hautausschlag zur Hautärztin und sie sagt, sie weiß nicht, was das ist, sie erkennt das nicht, und schickt dich zum nächsten, und so geht das weiter, und du bist dann schon beim fünften Arzt und der stellt endlich fest, du hast Neurodermitis, also eigentlich eine Krankheit, die man gut kennt und auch gut behandeln kann. Der Grund für deinen Irrweg: Im Medizinstudium und in den Lehrbüchern wird alles nur anhand von weißen Körpern abgearbeitet, die Studierenden lernen alles nur anhand von weißen Körpern.
Oder Racial und Ethnic Profiling. Das heißt, dass du aufgrund von äußeren Merkmalen von der Polizei aufgehalten wirst, egal ob du jetzt etwas gemacht hast oder nicht. Das ist auch etwas, von dem viele glauben, das kommt nur in den USA vor, das passiert in Österreich nicht, das ist ganz fern. Aber Tatsache ist, dass Österreich in Europa das Land ist, wo Schwarze Menschen am häufigsten angehalten werden.
Ich bin manchmal als Anti-Rassismus-Trainerin in Schulen und da erzählen sie mir immer, dass auch ihnen das sehr oft passiert. Also 14- bis 18jährige Schwarze Schüler und Schülerinnen werden einfach am Weg in die Schule oder in einer Freistunde von der Polizei angehalten: Was macht ihr da, wer seid ihr, Ausweiskontrolle. Oder bei einer Fahrscheinkontrolle im Zug: Du bist in einer Gruppe unterwegs, aber nur du wirst nach dem Ausweis gefragt, weil du halt Schwarz bist oder eine Person of Colour. Das passiert schon 14jährigen, das fängt ganz früh an.
Manchmal habe ich das Gefühl, es ist irgendwie sinnlos. Wenn zum Beispiel ein Vertreter der Polizeigewerkschaft bei einer Podiumsdiskussion einfach auf dem Standpunkt beharrt, es gibt bei der Polizei in Österreich keinen Rassismus. Wo soll man da noch ansetzen? Oder wenn auf Interviews dann Reaktionen kommen, die extrem grauslich sind, noch eine Stufe grauslicher als das, was man als Rassismusbetroffene eh schon kennt. Das ist dann nicht leicht. Und ich würd das alles gar nicht machen können, gäbe es da nicht auch die andere Seite, die Leute mit ähnlichen Erfahrungen, das Team beim Volksbegehren, und all die positiven Rückmeldungen wie: Urcool, dass es euch gibt! oder einfach nur: Danke für eure Arbeit.
Meine Eltern waren mit Marcus Omofuma befreundet, der 1999 bei einer Abschiebung von drei Polizisten getötet wurde. Sie haben die ersten Demos mitorganisiert, bei denen sich die afrikanischen Communities in Wien gegen Rassismus wehrten. Es ist nett, dass ich mit ihnen Erfahrungen austauschen kann, aber es ist irgendwie auch traurig, dass ihr Kind da rund 20 Jahre später die gleichen Missstände anprangern muss.
Wir haben in den letzten Jahren einen Anstieg von rassistisch motivierter Gewalt, auch von antisemitischen und antimuslimischen Übergriffen. Da ist es schwer zu sagen, dass es Fortschritte gibt. Andererseits sprechen wir heute zu dem Thema in fast jeder Art von Medium, man kann eigentlich nicht mehr wirklich daran vorbei, da sind wir schon ein gewisses Stück weiter gekommen. Aber konkrete bahnbrechende Veränderungen müssen wir noch erkämpfen. Das Volksbegehren Black Voices kann dafür ein erster Schritt sein.