ralph
LESEZEIT: 07-09 min
Mit meinem Vater hat es öfter Probleme gegeben. Da war das Schlagen mit dem Gürtel eine normale Strafe. Und das war auch der Grund, warum ich dann mit zwölf, dreizehn nach der Schule lieber überall anderswo geblieben bin. Ich hab geschaut, dass ich so gut wie nie heimkomm.
Ich bin gebürtiger Salzburger, also direkt in der Stadt geboren, bin dann später in meinen Punker-Jahren ein bissel herumgekommen, hab zum Beispiel fünf Jahre lang in Wien gelebt, bin in der Zeit natürlich immer wieder obdachlos gewesen. Das war so mit zwanzig herum. Davor hab ich noch eine schöne Drogenkarriere absolviert, die dann leider im Gefängnis geendet hat.
Das war so: Mit 12, 13 hab ich zu rauchen angefangen, mit 13, 14 hab ich dann schon die ersten Joints geraucht, der Alkohol ist auch in dem Alter dazu gekommen. Dann mit 15, 16 sind schon alle anderen Substanzen dazugekommen und der Handel. Ich hab daneben auch meine Lehre gemacht, ich weiß nicht, wie ich das geschafft hab. Jedenfalls hab ich für das Dealen dann auch die Strafe bezahlt. Also richtig gesessen.
Wobei ich Glück gehabt hab, dass ich noch auf die Jugendabteilung gekommen bin. Das heißt: Wir waren nicht in Sechs-Mann-Zellen sondern in Zwei-Mann-Zellen, und von zehn bis sechszehn Uhr waren die Türen offen und wir haben uns im Block frei bewegen können.
Ich bin dann als Punk blöderweise dem Alkoholismus verfallen. Den hab ich Gott sei Dank wieder weggekriegt. Dann in Wien ist es mir leider passiert, dass ich mit den Opiaten angefangen hab. Davon bin ich mittlerweile auch so gut wie befreit. bekomm nur noch ganz wenig Substitutionsmittel, in einem Monat geh ich auf Null.
Was mir in all den Jahren geholfen hat, mich nicht ganz fallen zu lassen, dass waren meine zwei Hunde. Die sind leider auch schon gestorben. Aber die haben mich immer wieder rausgerissen. Weil ich selber war es mir irgendwie nicht wert, mein Leben zu ändern. Aber wenn man Verantwortung für andere Lebewesen trägt, überlegt man ein bissel weiter.
Die Punker-Einstellung war ja: Jung kaputt spart Altersheim. Oder: Ich mach mich lieber selber kaputt. So war das. Man denkt nur an den einen Tag, und für spätere Konsequenzen bist eh schon nimmer da, da bist schon längst im Jenseits. Hat sich bei mir als falsch erwiesen, jetzt muss ich die Folgen leider doch zu Lebzeiten ausbaden. Ich hab zum Beispiel COPD. Da gibt es nur wenige, die einen exzessiven Lebensstil gut wegstecken können und dann so wie der Lemmy von Motörhead 70 Jahre alt werden. Normalerweise stirbt jemand mit Drogenvergangenheit dann doch, was ich so bei meinen Freunden gesehen habe, zwischen 30 und 60 Jahren.
Ich werd jetzt 40. Seit Ende 2018 leb ich wieder in Salzburg. Ich bin hier gut aufgefangen worden von der Vinzigemeinschaft, weil ich natürlich auch hier wohnungslos war, so typisch von Freund zu Freund gewohnt hab. Eine Zeit lang auch in einem der kleinen Wachtürme am Kapuzinerberg, das ist so eine alte Wehranlage, eine Mauer mit 14 kleinen Türmen, wo du zu dritt drinnen schlafen kannst, da haben sich mehrere Leute eingenistet gehabt, aber die haben sie jetzt komplett zugemacht, weil es eben auch ein Touristenort ist.
In Salzburg gibt es die Regel, dass du fünf Jahre am Stück hier gemeldet sein musst, damit du einen Anspruch auf eine Gemeindewohnung hast, und so haben sie mir am Anfang nicht helfen können.
Aber dann hat sich diese Regel geändert: Jetzt ist es so, wenn du einmal 15 Jahre lang in einer Stadt gelebt hast, zum Beispiel weil du hier aufgewachsen bist, dann hast du auch das Recht auf Housing First.
Also haben mir die Leute von VinziDach eine Wohnung besorgt und mich bei allen Möglichen unterstützt. Unter anderem auch, wenn ich auf Ämter gehen muss.
Eine Begleitung kann da einen großen Unterschied machen.
Also haben mir die Leute von VinziDach eine Wohnung besorgt und mich bei allen Möglichen unterstützt. Unter anderem auch, wenn ich auf Ämter gehen muss. Eine Begleitung kann da einen großen Unterschied machen.
Ich bin schon oft einfach wieder weggeschickt worden: Wir können nichts für Sie machen. Da hab ich auch schon früher die Erfahrung gemacht: Wenn ich dann mit dem Bewährungshelfer noch einmal hingegangen bin, war da plötzlich doch was zu machen. Ah, ja, stimmt, das steht Ihnen zu.
Weil oft weißt du ja gar nicht, was dir zusteht. Oder du weißt es und lässt dich dann doch wieder verunsichern, wenn die etwas anderes sagen. Oder du weißt es, weißt aber nicht, wie du jetzt darauf bestehen kannst.
Weil oft weißt du ja gar nicht, was dir zusteht. Oder du weißt es und lässt dich dann doch wieder verunsichern, wenn die etwas anderes sagen. Oder du weißt es, weißt aber nicht, wie du jetzt darauf bestehen kannst.
Ohne Hilfe schafft es niemand im Leben. Wenn du keine Familie hast, die dich unterstützt, oder Freunde, also solche Freunde, die halbwegs stabil sind, dann ist es halt super, wenn es diverse Einrichtungen gibt, die dir helfen. In Salzburg haben wir da zum Beispiel noch das Tageszentrum Saftladen, wo man auch Sozialberatung kriegt, wo man ganz billig zu Mittag essen kann. Wäsche waschen kann, und auch sich selber, also duschen.
Salzburg ist in Österreich einer der teuersten Orte zum Wohnen. Und das Kulturbudget geht in die Festspiele rein, da bleibt wenig für anderes. Um die Festspielzeit herum wird jedes Jahr geschaut, dass man die Obdachlosen vertreibt aus den Tourismuszonen.
Letztes Jahr haben einige Leute in den Bahn-Unterführungen geschlafen, und dann hat es plötzlich geheißen, die Bahn muss die Leute jetzt aus irgendwelchen Gründen wegbringen, aber der wirkliche Grund war natürlich wieder nur die Festspielzeit.
Ich hab sogar einmal im Festspielhaus gearbeitet, als Reinigungskraft, ich hab dort die Toiletten geputzt. Die sind dort auch nicht viel sauberer als anderswo.
So viel besser benehmen sich da die Reichen auch nicht, wenn sie am Klo sind.
Mit den Leuten von der Vinzigemeinschaft haben wir eine Petition gestartet, damit wir in Salzburg einen Mobilpass bekommen. Ich hab das ja aus Wien gekannt. Jetzt wird es so etwas Ähnliches geben, eine Aktivkarte und eine Aktivkarte plus. Die Aktivkarte ist für Leute, die weniger als 1.375 Euro zur Verfügung haben, die kriegen Vergünstigungen bei Kulturveranstaltungen und Sporteinrichtungen. Fürs Festspielhaus wohl eher nicht. Und bei der Aktivkarte plus für Sozialhilfeempfänger und Mindestpensionisten kommt das Salzburger Klimaticket für 50 Euro dazu, das kostet sonst 350 Euro.
Mit meinem Vater habe ich mich mittlerweile ausreden können. Ich hab meinen Eltern doch so einige Probleme gemacht. Einmal sind sie gerade beim Frühstück gesessen und ein ganzes Polizeikommando hat sie überfallen, weil ich noch bei ihnen gemeldet war. Aber wie gesagt: Wir haben uns ausgesprochen, und darüber bin ich sehr froh. Ich hab das bei Freunden erlebt, die sich mit ihren Vätern oder Eltern nicht mehr versöhnt haben: Wenn die Eltern dann gestorben sind, bleibt da eine offene Wunde zurück und nagt gescheit an einem.