rebekka
LESEZEIT: 07-09 min
Ich hab zum Beispiel eine Asylwerberin begleitet aus Afghanistan. Die ist total engagiert und motiviert. Sie ist nach Österreich gekommen, um ein Masterstudium in Molekularbiologie zu machen. Das Problem: Sie wollte unbedingt Deutsch lernen, aber die politischen Regeln geben jetzt vor, dass Asylwerbende kein Recht auf einen kostenlosen Deutschkurse haben. Es gibt von diversen NGOs Angebote für kostenlose Deutschkurse, aber leider nicht in Leibnitz.
Diese Frau konnte sich eigentlich schon recht gut verständigen, aber trotzdem hatte sie eine Hemmung, bei Behörden vorstellig zu werden. Vor allem auch, weil es da einen richtigen Behördendschungel gibt, durch den man sich erst einmal kämpfen muss. Ich hab ihr dabei helfen können, in Graz einen kostenlosen Deutschkurs zu besuchen. In ihrem Fall war der Knackpunkt, dass sie im Monat nur 150 Euro zur Verfügung hat und allein das Zugticket nach Graz monatlich schon über 100 Euro ausmacht.
Das war dann schon ein schöner Erfolg, dass wir es geschafft haben, die finanziellen Mittel dafür aufzutun. Und es war auch eine gute Erfahrung zu sehen, wie wenig es oft braucht, um jemanden in seinem Lebensweg ganz konkret weiterzuhelfen.
Das war dann schon ein schöner Erfolg, dass wir es geschafft haben, die finanziellen Mittel dafür aufzutun. Und es war auch eine gute Erfahrung zu sehen, wie wenig es oft braucht, um jemanden in seinem Lebensweg ganz konkret weiterzuhelfen.
Ich war bisher eher im kaufmännischen Bereich tätig: Handelsakademie, Studium der Betriebswirtschaft, Wirtschaftsprüfung. Ich hab von den Zahlen zu den Menschen gewechselt, kann man sagen. Vom Vertriebscontrolling, wo ich jetzt zehn Jahre lang gearbeitet habe, in den sozialen Bereich.
Ich hab mir das schon seit vielen Jahren gewünscht und bin dann doch immer wieder davor zurückgeschreckt. Man bleibt oft gern bei dem, was man schon kennt und kann. Also hat es in meinem Fall erst eine persönliche Krise gebraucht, um den Schritt für eine Veränderung zu wagen. Die Krise war durch eine Trennung ausgelöst, und die Veränderung heißt: Ich bin seit 2021 in einer Ausbildung zur Lebens- und Sozialarbeiterin. Und seit dem April 2022 bin ich ehrenamtlich bei "Freiraum" in Leibnitz tätig.
"Freiraum" ist ein Verein mit dem Fokus auf Mädchen- und Frauenberatung in allen Lebensbelangen. Die Beratungsstelle gibt es schon seit 15 Jahren, und sie ist im Ort mittlerweile wirklich bekannt und auch anerkannt. Ich bin froh, dass ich dort mitarbeiten und praktische Erfahrungen sammeln darf.
Als Lebens- und Sozialberaterin ist es nicht so leicht, bei einer sozialen Einrichtung anzudocken, dort sucht man eher Psychologinnen und Therapeutinnen. Mit meiner Ausbildung darf ich zum Beispiel nicht mit Menschen arbeiten, die eine Diagnose im Bereich psychischer Erkrankungen haben. Ich berate Menschen aller Altergruppen bei wichtigen Entscheidungen. Ich begleite Menschen, die gerade eine Krise durchmachen. Ich helfe ihnen, das durchzustehen. Ich helfe ihnen, Wege zu finden.
Das Projekt "mitgehn" ist so gesehen ideal für mich. Wobei ich hier in der Regel nicht so aktiv eingreife wie bei der Geschichte mit dem Deutschkurs für die afghanische Studentin, sondern eher im Bereich Beistand und Begleitung bleibe.
Es geht darum, Menschen mit Armutserfahrungen oder geringem Einkommen zu Behörden, Ämtern und Gesundheitseinrichtungen zu begleiten, ihnen Mut zu machen, ihnen den Rücken zu stärken, beziehungsweise einfach da zu sein und Ruhe auszustrahlen, das bewirkt erstaunlicherweise oft schon sehr viel.
Es geht darum, Menschen mit Armutserfahrungen oder geringem Einkommen zu Behörden, Ämtern und Gesundheitseinrichtungen zu begleiten, ihnen Mut zu machen, ihnen den Rücken zu stärken, beziehungsweise einfach da zu sein und Ruhe auszustrahlen, das bewirkt erstaunlicherweise oft schon sehr viel.
Einmal habe ich eine Frau zum AMS begleitet. Der Termin dort hat sie sehr gestresst. Da hat es eine schlechte Erfahrung im Vorfeld gegeben, und nun hatte sie Angst, dass sie nicht ernst genommen wird und ihre Ansprüche nicht durchsetzen kann. Ich hab sie also begleitet und das ganze Gesprächsklima war positiv und die Klientin war dann auch gleich recht selbstsicher und souverän. Auch die AMS-Mitarbeiterinnen begrüßen solche Begleitungen, weil in einer angenehmeren Atmosphäre ja auch aus ihrer Sicht mehr vorangeht.
Natürlich kann es vorkommen, dass sich Leute lieber an die Person wenden, die mitgeht, in dir eine Art Dolmetscherin sehen. Ich hab das bei einer Wohungsbesichtigung erlebt. Die Frau, die ich da begleitet habe, war mit ihrer Familie in einer Flüchtlingsunterkunft untergebracht, aber sie und ihr Mann waren schon berufstätig, hatten sich hier sozusagen schon ein Leben aufgebaut, und nun eine Wohnung gesucht. Die Frau konnte sich gut verständigen, war aber trotzdem unsicher, weil das für sie eine neue Situation war, eine neue Rolle. Der Vermieter hat anfangs immer mich angesprochen und ich musste ihm erst klarmachen, dass die anwesende Frau an der Wohnung interessiert ist und die Ansprechperson ist. Aber nachdem das geklärt war, haben die beiden gut zueinander gefunden, und es hat problemlos funktioniert.
Vom Wesen her bin ich sehr lebensbejahend, unternehmenslustig, offen anderen Menschen gegenüber. Das klingt jetzt wie ein Bewerbungsschreiben, aber es ist wirklich so. Ich lern total gern neue Menschen kennen. Und ich probier gern Neues aus: Fallschirmspringen, Triatlon, Klettern, Marathonlauf. Ich bin für jeden Unfung zu haben. Wenn jetzt die Außerirdischen kommen, kann man mich gern zur Begrüßung hinschicken. Und wenn es da keine sprachlichen Probleme gibt, würde ich ihnen sagen: Hier auf unserer Erde ist es wunderschön.
Natürlich ist es nicht in allen Bereichen schön. Zum Beispiel hat die Gewalt gegen Frauen in den Corona-Jahren wieder zugenommen. Aber insgesamt denke ich, dass die Frauenpolitik bei uns viel erreicht hat und auf einem guten Weg ist. Auch die Me-Too-Bewegung hat es geschafft, dass mittlerweile die ganze Gesellschaft mehr sensibilisiert ist für diese nach wie vor sehr präsente Belästigung und Beschämung von Frauen. Es ist gut, darauf aufmerksam zu machen.
Unglücklich machen mich Ignoranz und Schubladendenken. Wenn man versucht, Menschen zu kategorisieren, statt ihnen mit offenem Herzen entgegen zu treten.
Unglücklich machen mich Ignoranz und Schubladendenken. Wenn man versucht, Menschen zu kategorisieren, statt ihnen mit offenem Herzen entgegen zu treten.
Glücklich machen mich das Lachen meines Sohnes, die Kuscheleinheiten mit meinem neuen Partner, und all die spannenden Abenteuer, die wir zu dritt erleben.
Ein einprägsames Erlebnis im "mitgehn"-Zusammenhang war für mich folgendes: Ich habe die afghanische Studentin einmal gelobt dafür, wie sehr sie sich reinhängt, was das Deutschlernen bertrifft und das Vorbereiten auf das Studium, wie fleißig sie ist. Und da hat sie, die fast Dreißigjährige, gemeint: Danke für dieses Lob, das ist das allererste Mal in meinen Leben, dass jemand meine harte Arbeit zu schätzen weiß.