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samuel

LESEZEIT: 05-07 min

Ich komm aus Tirol, nach Wien bin ich durch meine damalige Freundin gekommen und ich bin geblieben, weil ich Soziale Arbeit studiere. Das wollte ich auf alle Fälle in Wien machen. Soziale Arbeit hat oftmals Berührungspunkte mit dem Thema Armut. Auch in meiner eigenen Biografie ist Armut ein Thema. Wir hatten immer Geldprobleme. Meine Mutter ist heute stark von Altersarmut betroffen, mein Vater wahrscheinlich auch, aber er spricht weniger darüber. Er sagt, er kommt auch mit weniger aus, er braucht nicht viel. Meine Mama ist da offener, weil sie auch viele Ängste hat.

Bei meiner Mama sind die Gründe für die Mindestpension typisch: Für den Kinderwunsch hat sie viel aufgegeben.

 

Bei meiner Mama sind die Gründe für die Mindestpension typisch: Für den Kinderwunsch hat sie viel aufgegeben.

 

Sie kommt eigentlich aus Deutschland, sie hat ihren Job aufgegeben, ihre Wohnung und ihre Lebensversicherung, weil sich mein Vater selbstständig machen wollte. Das hat dann leider nicht so gut funktioniert. Sie war viele Jahre bei uns Kinder daheim und hat lange Teilzeit gearbeitet, weil sie nur einen Pflichtschulabschluss hat und sich schwer getan hat einen Job zu finden. Meine Eltern haben eine Firma gegründet, ein Souvenir- und Geschenkartikelgeschäft. Da sind noch Altschulden von früher vorhanden und während Corona lief es auch nicht so gut.

 

Meine Eltern haben versucht, die Lage zu verheimlichen und nicht auf uns Kinder abzuwälzen. Es hat aber auch zu viel Streit zwischen meinen Eltern geführt. Eine Kindheitserinnerung ist etwa: Zu Weihnachten gab es ein Angebot beim Hofer. Ich habe ein Winniepooh-Bild bekommen, das hat fünf oder zehn Euro gekostet, meine Schwester hat ein anderes gekriegt. Das war unser Weihnachtsgeschenk. Als Kind habe ich mich darüber gefreut, aber als meine Mama das später erzählt hat, habe ich es traurig gefunden. Denn das Geld, das für die Weihnachtsgeschenke vorgesehen gewesen wäre, hat mein Papa verspielt.

 

Eine andere Kindheitserinnerung ist auch, dass meine Eltern bei der Firmengründung am Boden ihrer finanziellen Existenz waren. Die Firma war eben noch mal ein Versuch einer Verbesserung der Situation. Ihnen war wichtig, dass wir Kinder gut versorgt sind. Ich war sieben oder acht Jahre alt und meine Eltern waren oft weg.

Sie haben uns gesagt, wenn jemand an der Tür läutet, dürfen wir nicht aufmachen. Nicht weil es so gefährlich ist, wo ich aufgewachsen bin, da kam maximal die Feuerwehr vorbei, aber es war auch der Exekutor unterwegs. Wir durften nicht aufmachen, denn der nimmt uns vielleicht unser Zuhause weg. Das war als Kind nicht so angenehm.

 

Sie haben uns gesagt, wenn jemand an der Tür läutet, dürfen wir nicht aufmachen. Nicht weil es so gefährlich ist, wo ich aufgewachsen bin, da kam maximal die Feuerwehr vorbei, aber es war auch der Exekutor unterwegs. Wir durften nicht aufmachen, denn der nimmt uns vielleicht unser Zuhause weg. Das war als Kind nicht so angenehm.

 

Für mich war es auch in der Schulzeit schwierig, denn andere Kinder haben diese Erfahrungen nicht gemacht. Da fühlt man sich allein, es ist ja kein Thema, das man in dem Alter mit seinen Freunden bespricht. Nun spreche ich mehr darüber. Eine Folge ist sicher, dass die existenzielle Sicherheit eine wichtige Rolle bei mir spielt. Meine Eltern haben trotz ihrer finanziellen Probleme immer versucht uns alles zu ermöglichen. Das war zumindest ihr Ziel. Bis zum Bachelor unterstützen sie mich und mein Studium finanziell, danach muss ich schauen, wie ich weiterkomme. Ich habe etwas Angst davor, auch vor dem Berufseinstieg. Sozialarbeit ist nicht der bestbezahlte Job, aber man bekommt immer einen Job. Diese existenzielle Angst kommt immer wieder hoch. Absichern, das hat für mich Priorität.

 

Ich bin intensiv dabei meine Bachelorarbeit über das Konzept der neuen Autorität aus den Erziehungswissenschaften zu schreiben. Ich konzentriere mich auf die offene Kinder- und Jugendarbeit, dort möchte ich am liebsten mal arbeiten. Es geht darum, wie man am besten einen Zugang zu Kindern findet. Macht ist ein wichtiges Thema hier, denn als Autoritätsperson hat man auch viel Macht. Das Ziel wäre, dass das Machtgefälle nicht mehr so vorhanden ist und die Frage ist, ob das überhaupt möglich ist. Schließlich müssen Einrichtungen Anforderungen erfüllen, etwa dass das Jugendzentrum läuft. Wenn da jemand anfängt zu randalieren und man am nächsten Tag nicht aufsperren kann, ist es für die Gruppe insgesamt schlecht. Aggression ist aber auch gleichzeitig ein Anzeichen dafür, dass ein Jugendlicher Hilfe braucht. In dem Spannungsfeld bewegt man sich.

 

Ich finde generell, dass sehr viel Druck und Angst auf Kinder ausgeübt wird, da läuft gerade in der Schule viel falsch. Lehrpersonen haben viel Macht, gleichzeitig sind Eltern auch immer beschützender und klammern sich an ihre Kinder.

Eigentlich geht es immer um die Erwachsenen, und nicht um die Kinder. Die Erwachsenen streiten darüber, was ist das Beste, aber es wird nicht gefragt, was ist für das Kind wirklich das Beste oder was will das Kind.

 

Eigentlich geht es immer um die Erwachsenen, und nicht um die Kinder.
Die Erwachsenen streiten darüber, was ist das Beste, aber es wird nicht gefragt, was ist für das Kind wirklich das
Beste oder was will das Kind.

 

Es ist auch logisch, dass nicht jedes Kind in jede Schule passt. Unsere Eltern haben uns nie Druck gemacht, wir konnten die Ausbildung machen, die wir wollten, aber bei anderen Kindern habe ich diesen Druck wahrgenommen. Es herrscht ein massives Konkurrenzdenken, viele meinen, das Gymnasium ist so viel besser als Mittelschule oder eine Lehre. Das ist der falsche Ansatz, denn es geht darum, was ist das Beste für dieses Kind.

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