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wolfgang e
Auf einmal haben mich alle gefragt: Was ist los mit dir? Und ich hab gesagt: Ich hab mein Leben gefunden! Und: Endlich bin ich der, der ich immer sein wollte!
Aber dann bin ich eines Tages aufgewacht aus dieser manischen Phase und hab 70.000 Schilling Schulden gehabt, durch Spontan-Käufe, Spontan-Reisen, viel Fortgehen, die Miete für ein teures Jugendstilzimmer. Ich hatte das Gefühl gehabt, das ist es jetzt wert, das bin ich mir wert. Ich hatte den Bezug zur Realität verloren.
Jedenfalls bin ich draufgekommen, dass das alles doch etwas anders war, als ich es wahrgenommen habe, dass alles doch nicht so super gewesen ist. Und ich bin wieder in eine Depression gefallen. Das war 1999, da war ich 24 Jahre alt, da hat mich mein Umfeld zu den Ärzten geschickt und ich hab die Diagnose "Bipolare affektive Störung" gestellt bekommen.
Was für mich erstaunlich war: Ich hab fünf Minuten von mir erzählt, und der Doktor hat mir diese Diagnose hingeknallt, und das war dann schon ein bissl irritierend, warum der das gleich wissen kann. Aber er hat recht gehabt.
Was für mich erstaunlich war: Ich hab fünf Minuten von mir erzählt, und der Doktor hat mir diese Diagnose hingeknallt, und das war dann schon ein bissl irritierend, warum der das gleich wissen kann. Aber er hat recht gehabt.
Im Vergleich zu etlichen anderen psychischen Erkrankungen, wie zum Beispiel die aus dem Umfeld der Persönlichkeitsstörungen und der Posttraumatischen Störungen, ist die Diagnose "Bipolare affektive Störung" eine klare, eindeutige Angelegenheit. Das ist ein Glück, weil man nicht darum kämpfen muss, die entsprechende Betreuung und Behandlung zu bekommen. Aber es bleibt natürlich ein Glück im Unglück, weil mit den Gefühlsextremen und dem häufigen Wechsel der Medikamente zurecht zu kommen, ist schwierig genug.
Ich bin am Land aufgewachsen, in einem 30-Einwohner-Dorf in Oberösterreich. Ich hätte den elterlichen Bauernhof übernehmen sollen, aber in der landwirtschaftlichen Fachschule bin ich dann draufgekommen:
Das will ich nicht. Damals hab ich mit dem Schreiben begonnen, das war anfangs eine Form von Protest.
Eine andere Form von Widerstand war, dass ich in einem dreijährigen Sonderlehrgang die Matura nachgemacht und zum Studieren nach Wien gegangen bin.
Das will ich nicht. Damals hab ich mit dem Schreiben begonnen, das war anfangs eine Form von Protest. Eine andere Form von Widerstand war, dass ich in einem dreijährigen Sonderlehrgang die Matura nachgemacht und zum Studieren nach Wien gegangen bin.
Ich hab zuerst Vermessungswesen studiert, ein sehr schweres Studium, das mich überfordert und in eine Depression katapultiert hat. Dann Raumplanung auf der TU. Dort habe ich den Professoren und Betreuern gleich von meiner Krankheit erzählt, und sie haben darauf Rücksicht genommen. Sowohl im Studium als auch literarisch ist es eine Zeit lang gut weitergegangen und dann, ich weiß gar nicht mehr wie und wann genau, hab ich mit den Medikamenten aufgehört.
Ich hab Alkohol getrunken, um gegen die Depression anzukämpfen, und das funktioniert auch recht gut, nur darf man nicht nüchtern werden. Das heißt aber auch: Man trinkt rund um die Uhr, und was anderes als Trinken geht gar nicht mehr. Erst nach einer schweren Krise plus Krankenhausaufenthalt im Jahr 2008 hab ich mir richtig Hilfe geholt.
2011 und 2012 war ich je drei Monate auf Alkoholentzug. Dann hatte ich wieder einmal die eigenartige Idee, ich hör jetzt auf mit den Medikamenten, von heut auf morgen. Das hat zu einer schweren Psychose geführt, und das war wirklich ein Albtraum. Da war ich völlig von der Realität weg, in einem schwarzen Irgendwas. Ich bin auf der Baumgartner Höhe gelandet. Und da war mir dann klar: Das will ich nie wieder haben. Ich war dann sieben Jahre lang trocken. Dann wieder ein Rückfall, aber zum Glück nicht lang, da hat mir die Suchthilfe geholfen, und jetzt bin ich seit drei Jahren wieder trocken.
Das ist schon interessant, dass es bei den Medikamenten nach wie vor so ist, dass man da erst langwierig herumprobieren muss, ob sie dir helfen oder nicht. Das dauert zunächst einmal einen Monat, bis man weiß, ob sie wirken oder nicht. Wenn sie nicht wirken, versucht man es mit einer gesteigerten Dosis. Nach drei Monaten ist es schließlich endgültig klar, ob dieses Medikament jetzt doch noch oder eben wirklich nicht wirkt. Und im schlechten Fall kommt dann halt das nächste dran.
Wobei es auch passieren kann, dass manche Medikamete, die früher gewirkt haben, eines Tages nicht mehr wirken, oder dass man sie nicht mehr verträgt, weil sie zu starke Nebenwirkungen haben. Dann beginnt die ganze Prozedur des Einstellens von vorne. Im Moment läuft es Gott sei Dank ganz gut, aber das kann sich jederzeit ändern. Durch die personalisierte Medizin soll es bald schon möglich sein, die Medikamente viel genauer auf die jeweiligen Individuen abzustimmen, dann wird das hoffentlich besser.
Eine bipolare Störung zu haben, bedeutet: Wenn ich jetzt von der Depression in die Manie schwanke, muss ich so schnell wie möglich die Medikamente umstellen, also von den Antidepressiva auf die Antipsychotika, weil die Antidepressiva sonst die Manie sogar verstärken. Ein Problem ist, dass die Antipsychotika nicht sofort wirken, erst nach rund einem Monat, und in so einem Monat kann viel passieren.
Eine bipolare Störung zu haben, bedeutet: Wenn ich jetzt von der Depression in die Manie schwanke, muss ich so schnell wie möglich die Medikamente umstellen, also von den Antidepressiva auf die Antipsychotika, weil die Antidepressiva sonst die Manie sogar verstärken. Ein Problem ist, dass die Antipsychotika nicht sofort wirken, erst nach rund einem Monat, und in so einem Monat kann viel passieren.
Wenn ich in die Hypomanie komme, das ist die Vorstufe zur Manie, dann rede ich mehr und schneller, schlafe ich weniger, werde aktiver. Die meisten meiner Bücher habe ich in der Hypomanie geschrieben. In dieser Zeit denke ich, das ist großartigste Weltliteratur, aber wenn ich dann wieder normal bin, und ich les mir das durch, seh ich, dass es meistens ein Schas ist. Das ist halt so. Die besseren Bücher, die guten Bücher, die entstehen in den stabilen Zeiten. Und es sind genügend gute Bücher entstanden: 2023 hab ich für mein Schreiben den Stefan-Rudas-Preis in der Kategorie Erfahrungsexpertinnen bekommen.
Offiziell bin ich arbeitsunfähig, mehr oder weniger für immer, also unbefristet. Wobei es heißen müsste: Ich bin in dieser Leistungsgesellschaft des Kapitalismus unbefristet arbeitsunfähig. Da komm ich nicht mit. Das macht mir zuviel Druck, mit meiner Erkrankung geht da nichts. Aber auf meine Art und Weise arbeite ich natürlich schon: Ich bin Schriftsteller, ich schreibe Bücher, ich male Bilder, ich engagiere mich für den Klimaschutz, ich bin bei den Vereinen "Lichterkette" und "crazy turn" tätig, das kann ich ohne Druck machen, und da kommt trotzdem einiges raus dabei, und darauf bin ich stolz. Und das macht mich auch glücklich.